Im Zusammenhang mit der Zukunftsfähigkeit des Automobilhandels wird fast immer auch die Forderung nach „neuen Geschäftsmodellen“ gestellt. Aktuell wird dem Handel unterstellt, ein sogenanntes „Zombie-Geschäftsmodell“ zu sein, frei nach dem Motto „ist schon tot, weiß es nur noch nicht“. Auf der anderen Seite haben Totgesagte zu häufig sehr viel länger gelebt, als ihnen vorausgesagt wurde. Was stimmt davon jetzt und wieviel Wandel ist wirklich nötig, um sein Autohaus oder seinen Servicebetrieb zukunftsfähig zu halten? Die bei dieser Frage geführten Diskussionen sind kontrovers, und es wird vielfach aneinander vorbeigeredet. Letzteres liegt auch daran, dass es für den Begriff „Geschäftsmodell“ keine allgemein anerkannte Definition gibt.
Im Gabler Wirtschaftslexikon ist dazu sinngemäß zu finden, dass ein Geschäftsmodell ein Konzept ist, wie ein Unternehmen Mehrwerte für Kunden erzeugt und einen Ertrag für die Organisation sichern kann. Wenn man die beiden hier genannten Punkte „Mehrwerte für Kunden“ und „Ertrag“ weiterdenkt, dann kann man nicht übersehen, dass sich etwas tut im Staate Dänemark: die Antriebstechnologie ändert sich, was u.a. die Frage aufwirft, wie es um zukünftige Erträge aus dem Ölgeschäft bestellt sein wird. Es gibt einen Trend in der Bevölkerung weg vom Besitz, hin zur Nutzung, wodurch Miet- und Abomodelle Auftrieb erhalten. Die Digitalisierung führt dazu, dass Kunden ihr Informations- und Kaufverhalten immer weiter in den digitalen Raum verlagern und innerbetrieblich bieten innovative Softwarelösungen Potentiale zur Effizienzsteigerung. Auch die Hersteller sind aktiv und übernehmen immer unverhohlener die Kundenschnittstelle durch eigene Online-Shops, Connected Cars, einheitliche Kunden-IDs etc. Spätestens bei diesem Punkt wird es für den Handel kritisch, denn das Wissen über und der Kontakt zum Kunden ist im Wesentlichen die Daseinsberechtigung des Handels. Wenn diese wegbricht, bleibt „nur“ noch die handwerkliche Leistung als Mehrwert für die Kunden. Es besteht also auf der einen Seite klarer Handlungsbedarf. Auf der anderen Seite wird das aber alles weder über Nacht passieren noch überall, noch alle Kunden gleichermaßen betreffen (Stichwort: „Stadt versus Land“, bzw. „alt vs. jung“). Jedes Autohaus kann sich daher die Zeit nehmen, sein Geschäftsmodell zu hinterfragen und anzupassen. Man sollte es nur tun, sozusagen in aller Ruhe, aber dennoch mit Nachdruck und ohne zu großen Verzug.
Veränderungen in Geschäftsmodellen von Branchen hat es dabei immer gegeben und werden oft mit S-Kurven dargestellt. Diese beschreiben, dass ein Geschäftsmodell langsam im Markt Fuß fasst, dann schneller wächst, um bei fortschreitender Zeit ein Sättigungsplateau zu erreichen und letztlich irgendwann wieder zu verschwinden. So ist es z.B. in jüngster Zeit mit der CD passiert, die von Streamingdiensten wie Spotify & Co. abgelöst wird. Für Unternehmen ist es dabei die Kunst, das eigene Geschäftsmodell zu hinterfragen und Investitionen in seine Erneuerung und Veränderung so frühzeitig zu starten, dass das entstehende neue Geschäftsmodell das sterbende möglichst nahtlos ablöst. Eine Veränderung des Geschäftsmodells im Automobilhandel ist dabei auch nichts Neues und wir haben bereits mehrere solcher Wechsel erfolgreich hinter uns gebracht und - Hurra! – es gibt uns immer noch! Grafik 1 zeigt Beispiele für altbekannte sowie neue bzw. anstehende Geschäftsmodellwechsel inklusive der sich gegenseitig ablösenden oder zumindest ergänzenden S-Kurven.
Um die für sich passende Veränderung des eigenen Geschäftsmodells zu finden, sollte man sich auf die Suche nach neuen oder veränderten Kundenangebote machen, wofür es diverse Methoden und Techniken gibt. Es spricht aber auch nichts dagegen, ohne große Analysen einfach mal etwas auszuprobieren, wenn moderate Investitionskosten dies zulassen. Wichtig in diesem Schritt ist, dass man konkrete und für das eigene Unternehmen relevante Kundenbedürfnisse herausarbeitet, die man aktuell nicht oder nur unzureichend bedient. Für diese Bedürfnisse entwickelt man dann ebenso konkrete und passende Produkte und Dienstleistungen. In innovativen Autohäusern findet man dabei vermehrt die Themen Mobilitätsdienstleistungen wie Vermietung, Car-Sharing (ja, auch das wird von verschiedenen Händlern profitabel angeboten) und Fuhrparkmanagement oder ein verändertes Fahrzeugangebote wie e-Autos, Lastenfahrräder usw. Zusätzlich zu solchen „kaufbaren“ Produkten oder Dienstleistungen sollte man auch erweiterte Mehrwertdienste identifizieren und seinen Kunden anbieten, die die eigentliche Produkt- und Dienstleistungspalette ergänzen. Diese sind oft nicht direkt fakturierbar, aber dennoch sinnvoll – wenn nicht sogar notwendig - , weil sie nicht nur dem Kunden Mehrwerte bieten und damit die Bindung erhöhen, sondern dem eigenen Unternehmen helfen, Daten über den Kunden zu sammeln, Prozesskosten zu reduzieren etc.. Beispiele solcher Mehrwertangebote, die aktuell im Handel zunehmend anzutreffen sind, sind eigene eShops, Kundenportale des Handels (nicht gemeint sind hier die Portale der Hersteller), Connected-Car-Lösungen, Videokommunikation mit Kunden etc.
Steht das Produkt bzw. die Dienstleistung fest, überlegt man sich im letzten Schritt, wie man dies auf die Straße bringt. Dabei ist allen entsprechenden Projekten gemein, dass sie über digitale Komponenten verfügen. Da dadurch Daten über Kunden entstehen bzw. verarbeitet werden, sollte man sich spätestens hier sehr genau überlegen, wie man sich diesen Schatz für das eigene Unternehmen möglichst ohne Verluste sichert. Beispielsweise kann man natürlich einen Anbieter für ein Subscriptionmodell als Dienstleister beauftragen, muss dann allerdings akzeptieren, dass man im besten Fall nur mit einem Lead abgespeist wird und z.B. nicht erfährt, wofür sich der Kunde auf der Webseite noch interessiert hat, mit welchem Handy-Modell er wann und von wo aus auf der Webseite unterwegs war etc.. Das kann für diesen Anwendungsfall die richtige Entscheidung sein, man sollte nur darauf achten, dass man für eine ausreichende Anzahl von kundenrelevanten Themen die Datenhoheit behält. Tut man dies nicht, verkümmert der Handel zum Erfüllungsgehilfen von Dritten, i.d.R. Hersteller oder Portalanbieter und wird dadurch immer ersetzbarer.
Um bei der Vielzahl der sich bietenden Möglichkeiten von innovativen Geschäftsmodellen den Überblick zu behalten, bietet sich das in Abbildung 2 gezeigte Kunden-Mehrwert-Rad (Customer Value Wheel) an. Zu jedem in Frage kommenden Produkt bzw. Mehrwertdienst trifft man die Entscheidung hinsichtlich der Art der Umsetzung und dokumentiert diese im Rad durch eine Projektnadel. Damit wird erkennbar, ob alle wichtigen Kundenbedürfnisse abgedeckt sind, damit der eigene Betrieb zukunftsfähig bleibt. Gleichzeitig sollte man darauf achten, dass sich eine ausreichende Anzahl von Nadeln in der Mitte befindet, da mit diesen Umsetzungsformen i.d.R. die Hoheit über die dabei entstehenden Daten verbunden ist.
Veränderungen hat es im Autohandel immer gegeben und ob man dies nun immer mit „neuen Geschäftsmodellen“ bezeichnet, ist eine eher akademische Frage. In der aktuellen Situation sind die Größenordnungen der externen Veränderungen sowie deren Geschwindigkeit aber signifikanter und erheblicher als in der Vergangenheit. Man sollte bei der Suche nach den Veränderungen, die zum eigenen Betrieb passen, bei aller gebotenen Ruhe, daher nicht zu viel Zeit verstreichen lassen. Ansatzpunkte und funktionierende Praxisbeispiele gibt es genug. Wer sich hier noch inspirieren lassen möchte, dem sei die kostenlose Informationsplattform DISERVA empfohlen.